Die Moral des Gottlosen

Gespeichert von admin am So., 19.03.2017 - 01:49

Die Moral des Gottlosen                              

 

10 Sätze

 

Satz 1
Der Gottlose selbst ist für sich der Sinn seines Lebens

 

Satz 2
Der Gottlose ist sich selbst sein bester Freund

 

Satz 3
Die Mitmenschen sind des Gottlosen gute Freunde,
sie ermöglichen ihm sein Leben und er ihres

 

Satz 4
Leben hat für den Gottlosen immer Vorrang

 

Satz 5
Der Gottlose macht aus allem das Beste

 

Satz 6
Für den Gottlosen ist die Würde des Menschen unantastbar

 

Satz 7
Der Gottlose ist verantwortlich für alles was er denkt, fühlt und tut.
Deshalb kann er nur als Individualist leben

 

Satz 8
Der Gottlose ist ein lebenslang mit großem Interesse Lernender

 

Satz 9
Der Gottlose liebt das Schöne

 

Satz 10
Der Gottlose ist immerwährend kreativ

In DER SPIEGEL Nr. 22/26.05.2007 ist die Botschaft der Atheisten „in zehn Geboten“ zusammengefasst. Der Schwerpunkt dieser 10 Gebote ist antireligiös.

Ich vertrete als Gottloser einen völlig anderen Standpunkt. In meiner Wahlheimat Bremerhaven weiß man um die Wirklichkeit einer Parabel:

Der Wind und die Sonne stritten sich darum, wer den Wanderer auf dem Deich eher dazu bringen kann, seinen dicken Mantel auszuziehen. Der mächtige Wind begann kräftig zu blasen und je mehr er blies, umso fester hielt der Wanderer seinen Mantel umschlungen.
Die Sonne lächelte nur und strahlte den Wanderer fröhlich an. Es dauerte gar nicht lange, bis er seinen Mantel freiwillig und ganz von alleine auszog.

Die Wissenschaften als Sturm gegen Irrlehren, das ist selbst unter Wissenschaftlern umstritten. Unter ihnen heißt es doch: Eine irrige Meinung kann man nicht bekehren, sondern sie stirbt mit den betreffenden Wissenschaftlern (Trägern dieser Auffassung) ganz von alleine aus.

Meiner neuen Frau, einer robusten ALDI-Verkäuferin, habe ich erklärt, dass die tröstenden und helfenden Angebote der Philosophie viel wirksamer sind, als die der Religionen. Sie hat mich nur irritiert angeguckt und gemeint, da käme man ja vom Regen unter die Traufe. Das könnte doch kein Mensch verstehen, was die Philosophen meinen und erzählen.

Wenn ich mir die 10 antireligiösen Gebote im DER SPIEGEL ansehe, neige ich ganz spontan dazu, ihr zuzustimmen. Was soll eine ALDI-Verkäuferin mit dem als Lebensleitlinie vorgesehenen Satz IX: „Du sollst den Sabbat nicht ehren“ anfangen? Die zehn Gebote des Dekalogs sind Lebensleitlinien, und ob man sie mag oder nicht, die kann man in Beziehung zum eigenen Leben setzen. Meine Aldi-Verkäuferin weiß nicht einmal was der Sabbat ist. Sie verwechselt ihn fröhlich mit dem Sonntag.

Meine 10 Sätze haben sich in meiner 21jährigen Tätigkeit als Freier Redner, überwiegend als Trauerredner, formiert.

Ich vertrete den Standpunkt, dass sich eine Lebenslehre angesichts des eigenen Todes und angesichts des Todes des geliebten Menschen bewähren muss. Wenn sie das nicht kann, taugt sie nichts. Die weltliche Todesbewältigung ist nachvollziehbar, wenn sie von dem Elfenbeinturm der philosophischen Sprache herabsteigt und für den gewöhnlichen Fernsehkonsumenten verdaubar wird. Nicht umsonst haben die Religionen ihr vorpubertäres Niveau niemals verlassen.

Es hilft alles nichts, auch wenn es bei Paulus im 1. Korinther 13 aufgeschrieben ist, aber Glauben, Liebe und Hoffnung sind nun mal die psychischen Grundeigenschaften des Lebens.

In meinen 10 Sätzen gelten die ersten drei Sätze der Liebe. Die nächsten vier Sätze gelten dem Glauben und die drei Schlusssätze gehören der Hoffnung, also dem Leben und der Zukunft. Hoffnung und Leben sind für mich identisch.

Meine ALDI-Verkäuferin hat das sofort verstanden, dass sie nach dem Krebstod ihres Ehemannes in sich selbst den Sinn ihres Lebens suchen muss. Dabei hat sie es als große Hilfe erfahren, dass sie nun nicht mehr jedermanns „Armleuchter“ sein muss, sondern sich selbst die beste Freundin sein kann und darf, und wenn sie moralisch leben will, auch muss.

Und schließlich hat sie eine neue Hoffnung entwickelt. Im Herbst beginnt ihr PC-Kurs und sie überlegt, wie sie ihren Garten umgestaltet.

Damit ich niemandes Copyright verletzte, habe ich mir für meine 10 Sätze und als Ideenorientierung für mich, einen Begriff ausgesucht, der z.B. bei Google zu 99% negativ besetzt ist und der auf eine wörtliche und neutrale Weise meinen Standpunkt deutlich macht. Ich bin ein Gottloser!

Da ich mich als ein erwachsener Mensch einschätze, kann ich natürlich den Satz, welcher den Atheisten zugeschriebenen wird, dem Gebot 6, nicht zustimmen. Die Kategorien Gut und Böse sind Kategorien, welche für Vorpubertierende als Orientierung notwendig sind. Erwachsene wissen um die Dialektik des Lebens und verwenden solche kindlichen Begriffe nicht mehr.

Uwe Peters
Jierweg 18
27619 Schiffdorf, d. 22.07.2008